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Tagungsbericht

04.11.2025

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Die Tagung »Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart« fand am 30.09. und 01.10.2025 statt. Im Anschluss haben die studentischen Teilnehmer:innen ausführliche Tagungsberichte erstellt.

Emilia Buchmann 
Bericht zur Tagung
»Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart«
(Ruhr-Universität Bochum, 30.09./01.10.2025)

Dem Thema Lesen begegnet man spätestens bei der ersten Lektüre in der Schule. Dabei wird deutlich, dass das institutionelle und private Lesen immer wieder in einem Spannungsfeld zueinanderstehen. Die Problematik ist, dass Menschen immer weniger lesen und das, obwohl Lesen nach dem wissenschaftlichen Konsens viele Vorteile mit sich bringt. Gleichzeitig wird das institutionelle Lesen häufig als Zwang von Schüler:innen und deren Erziehungsberechtigten wahrgenommen. Der Versuch, sich diesem sehr komplexen und multidimensionalem Thema anzunähern, wurde mit der zweitägigen Tagung am 30. September und 1. Oktober an der Ruhr- Universität mit dem Thema: »Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart« unternommen. Veranstalter der Tagung waren Sebastian Susteck und Jonas Hartmann vom Germanistischem Institut.


An den beiden ereignisreichen Tagen fanden insgesamt zehn Vorträge statt, in denen das Lesen im Hinblick auf unterschiedliche Schwerpunkte untersucht wurde. In mehreren Vorträgen wurde u.a. das Leseverhalten von institutioneller Literatur bei Studierenden der Germanistik auf unterschiedliche Art und Weise analysiert. Zwei Vorträge beschäftigten sich mit historischen Hintergründen zum Lesen. In einem Vortrag lag der Schwerpunkt auf Deutschlehrkräften und ihrer Lesepraxis. Außerdem wurden Lesetricks in Lektüren bei Musil, Zambra und Wells untersucht. Zuletzt befassten sich zwei Vorträge mit den Lesepraktiken von Schüler:innen und Möglichkeiten, Kinder durch ihre Familien zum Lesen zu animieren.


Im Vortrag »Literatur- und medienbezogene Orientierungsmuster von Deutschlehramtsstudierenden – eine Annäherung über Gruppendiskussionen« untersuchten Jennifer Witte und Florian Hesse mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse Gruppendiskussionen von Studierenden unter dem Gesichtspunkt, inwiefern das Studium ihr Leseverhalten beeinflusst. Zusätzlich wurde der Medienkonsum der Studierenden miteinbezogen und seine Rolle auf das Leseverhalten untersucht. Es wurde angenommen, dass das Lesen institutionell erfolgt, während der Medienkonsum der Studierenden im privaten Bereich erfolgt. Die Studierenden sollten nach einem allgemein gehaltenen Impuls über ihren Lese- und Medienkonsum der letzten vier Jahre diskutieren. Die Deutschdidakter:innen konnten herausfinden, dass die Studierenden durch das Studium einen Rückgang von privatem Lesen und Lesemotivation, begründet durch Zeitmangel, erfahren. Das Freizeitlesen wurde durch die Nutzung sozialer Medien ersetzt. Die Studierenden hatten mit dem Studienbeginn außerdem große Schwierigkeiten im Umgang mit wissenschaftlichen Texten, eigneten sich aber im Verlauf des Studiums Lesestrategien an. Sie trennten das institutionelle Lesen strikt vom privatem Lesen ab. Obendrein kritisierten die Studierenden den Umgang der Universität mit Medien, denn sie würde sich zu wenig mit neuen Medien beschäftigen und die Kreativität unterdrücken. Die Didaktiker:innen nannten als Lösungsansätze, Lesestrategien für wissenschaftliche Texte schon während der Schulzeit zu vermitteln, die Wissenschaftspropädeutik auszubauen und das Problembewusstsein der Lehrenden an der Universität zu stärken.


In der Diskussion kam die Frage auf, ob die Pandemie eine Rolle bei der Lesekrise von Studierenden spielen würde. Die Antwort der Vortragenden war, dass zur Zeit der Pandemie Phänomene wie ›BookTok‹ in den sozialen Medien entstanden seien, dies aber keine großen Auswirkungen auf das Leseverhalten der Studierenden habe. Zudem wurde erfragt, ob die Studierenden über ihre Lesestrategien sprachen und diese erörterten. Geantwortet wurde mit dem Hinweis auf Strategien wie diejenige, Textsorte und Textaufbau zu kennen, richtig zu markieren, Zusammenfassungen und Suchfunktionen zu nutzen.


Inga Rottinghaus-Höfer stellte mit dem Vortrag »'„Aber Ferien sind Ferien“ – Ein Praxisbericht zum institutionell verankerten Lesen« ihren Versuch dar, eine Schullektüre ausschließlich im Unterricht der Schule zu lesen. Damit sollte das Ziel erreicht werden, dass alle Schüler:innen einer 6. Klasse das Buch lasen. Es gab aber neben dem Lesen auch die Möglichkeit, sich das Buch als Hörbuch anzuhören. Das inhaltliche Wissen der Schüler:innen wurde zwischenzeitlich mit Tests geprüft. Zudem wurden vor und nach dem Lesen des Buchs Lesezeit und Lesemotivation der Schüler:innen abgefragt. Die Eltern der Schüler:innen erhielten einen Fragebogen über ihre Beobachtungen zum Leseverhalten der Kinder und zu ihrer Bewertung des Versuchs, der anonym beantwortet wurde. Als Ergebnis konnte Inga Rottinghaus-Höfer feststellen, dass sich die durchschnittliche Lesezeit im Laufe des Versuchs verringerte, sich aber große Unterschiede zwischen den Schüler:innen feststellen lassen. Außerdem ließ sich ermitteln, dass eine längere Lesezeit nicht automatisch ein besseres oder schlechteres Ergebnis beim Leseverstehen bedeutete. Die Lesemotivation der Schüler:innen sank leicht ab. Die Eltern zeigten weitestgehend eine hohe Akzeptanz gegenüber diesem Versuch. Laut ihnen zeigte ein Drittel der Kinder ein höheres Interesse am Lesen als vorher. An Implikationen stellt Inga Rottinghaus-Höfer fest, dass eine stärkere Hinführung und Begleitung zur intermedialen Konzeption und eine Flexibilisierung des Unterrichts nötig sind.


Der letzte Vortrag der Tagung, »Family Literacy: Schnittstellen von schulischem und privatem Lesen«, wurde von Luca Leon Haase vorgetragen. Er beschäftigte sich in diesem Beitrag mit dem Konzept der Family Literacy und Programmen, die ihre Förderung zum Ziel haben. Das Konzept Family Literacy stellt ein Programm zur generationsübergreifenden Förderung der Sprach- und Literalitätskompetenzen in den Familien der Schüler:innen dar. Davon sollen auch die Schüler:innen profitieren und Kompetenzen verbessern. Luca Leon Haase beschreibt Family Literacy als eine Brücke zwischen Schule und Familie, die es ermöglichen kann, ein niedrigschwelliges Angebot zur Förderung zu entwickeln und eine Aufweichung der Grenzen zwischen Institution und Familie herbeizuführen. Die Family-Literacy-Programme (FLP) richten sich entweder allgemein an alle Familien oder fokussieren sich auf sozial benachteiligte Familien. Dabei wird in home-based/center-based- und Defizit-Ansatz/Enrichment-Ansatz unterschieden. Haases erster fachdidaktischer FLP-Vorschlag bestand in der Leseförderung durch Elternbriefe, der einen home-based- und sowohl Defizit- als auch Enrichment-Ansatz verfolgt. Als Beispiel führte er einen Brief an, der vorschlägt und anleitet, wie das Fernsehen zum Lesen motivieren soll. Der Vorschlag ist niedrigschwellig und flexibel, bietet jedoch die Herausforderung, dass kein direkter Kontakt zu den Eltern besteht. Der zweite vorgestellte FLP- Ansatz war center-based und ein Enrichment-Ansatz, der als Zielgruppe bildungs- und schriftferne Familien hat. Der Ansatz von Katrin Fach schlägt vor, Literaturabende, gemeinsame Lesezeiten im Unterricht und zweisprachige Lesungen einzuführen. Dadurch ist ein direkter Kontakt zu den Familien und eine starke Bereitschaft ihrerseits möglich. Probleme, die auftreten können, sind ein nicht wertschätzendes Schulklima, anderweitige Verpflichtungen wie Arbeit und Pflege der Familien. Außerdem braucht es Lehrkräfte, die Engagement und die Zeit haben, die Professionalisierung zu erfahren, um ein solches FLP anleiten zu können. Es wird deutlich, dass dieser Ansatz Potenzial hat, Familien und ihren Kindern zu helfen, aber es Probleme gibt, die gelöst müssen.


Diskutiert wurde, ob die Eltern der Schüler:innen tatsächlich die Bereitschaft zeigen, an den FLP teilzunehmen. Beantwortet wurde diese Frage damit, dass konkrete Zahlen und Studien dazu noch ausstehen. In Metastudien, die positive Effekte von FLP zeigen, wurden die Eltern über mehrere Wochen unterstützt und gefördert. Daher können diese Erkenntnisse nicht direkt auf die vorherrschende Realität übertragen werden. Laut Haase werden die Leseabende seiner Erfahrung nach von den Familien vorwiegend positiv aufgenommen.


In der Schlussdiskussion zeigte sich, dass das Thema der Tagung zu komplex ist, um alle dazu offenen Fragen innerhalb von zwei Tagen beantworten zu können. Allgemeine Fragen wie »Was ist überhaupt das (literarische) Lesen?« oder »Müssen Menschen generell mehr lesen?« konnten nicht vollständig geklärt werden und bedürfen einer tiefergehenden Auseinandersetzung. Sinnvoll bleibt auch eine Beschäftigung mit soziologischen Fragestellungen z. B. nach der Bedeutung des Lesens in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Ebenso stellte sich die Frage, wie mit den Ergebnissen der vorgestellten Versuche und Studien umgegangen werden soll, um Schüler:innen und Studierenden das Lesen näherzubringen.


Es zeigt sich, dass Institutionen und Menschen, die sie verkörpern, Ansprüche an Schüler:innen und Studierende haben, die manchmal zu hoch sind. Es sei wichtig zu erkennen, dass literarisches Lesen auf Freiwilligkeit beruht und Zwang oft nicht dazu führt, Studierende und Schüler:innen zum Lesen zu motivieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ziel eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sein sollte, um Schüler:innen und Studierende besser zu unterstützen.

 

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Die Tagung »Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart« fand am 30.09. und 01.10.2025 statt. Im Anschluss haben die studentischen Teilnehmer:innen ausführliche Tagungsberichte erstellt.

Emilia Buchmann 
Bericht zur Tagung
»Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart«
(Ruhr-Universität Bochum, 30.09./01.10.2025)

Dem Thema Lesen begegnet man spätestens bei der ersten Lektüre in der Schule. Dabei wird deutlich, dass das institutionelle und private Lesen immer wieder in einem Spannungsfeld zueinanderstehen. Die Problematik ist, dass Menschen immer weniger lesen und das, obwohl Lesen nach dem wissenschaftlichen Konsens viele Vorteile mit sich bringt. Gleichzeitig wird das institutionelle Lesen häufig als Zwang von Schüler:innen und deren Erziehungsberechtigten wahrgenommen. Der Versuch, sich diesem sehr komplexen und multidimensionalem Thema anzunähern, wurde mit der zweitägigen Tagung am 30. September und 1. Oktober an der Ruhr- Universität mit dem Thema: »Institutionelles und privates Lesen & seine Räume. Konflikte und Verknüpfungen in Geschichte und Gegenwart« unternommen. Veranstalter der Tagung waren Sebastian Susteck und Jonas Hartmann vom Germanistischem Institut.


An den beiden ereignisreichen Tagen fanden insgesamt zehn Vorträge statt, in denen das Lesen im Hinblick auf unterschiedliche Schwerpunkte untersucht wurde. In mehreren Vorträgen wurde u.a. das Leseverhalten von institutioneller Literatur bei Studierenden der Germanistik auf unterschiedliche Art und Weise analysiert. Zwei Vorträge beschäftigten sich mit historischen Hintergründen zum Lesen. In einem Vortrag lag der Schwerpunkt auf Deutschlehrkräften und ihrer Lesepraxis. Außerdem wurden Lesetricks in Lektüren bei Musil, Zambra und Wells untersucht. Zuletzt befassten sich zwei Vorträge mit den Lesepraktiken von Schüler:innen und Möglichkeiten, Kinder durch ihre Familien zum Lesen zu animieren.


Im Vortrag »Literatur- und medienbezogene Orientierungsmuster von Deutschlehramtsstudierenden – eine Annäherung über Gruppendiskussionen« untersuchten Jennifer Witte und Florian Hesse mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse Gruppendiskussionen von Studierenden unter dem Gesichtspunkt, inwiefern das Studium ihr Leseverhalten beeinflusst. Zusätzlich wurde der Medienkonsum der Studierenden miteinbezogen und seine Rolle auf das Leseverhalten untersucht. Es wurde angenommen, dass das Lesen institutionell erfolgt, während der Medienkonsum der Studierenden im privaten Bereich erfolgt. Die Studierenden sollten nach einem allgemein gehaltenen Impuls über ihren Lese- und Medienkonsum der letzten vier Jahre diskutieren. Die Deutschdidakter:innen konnten herausfinden, dass die Studierenden durch das Studium einen Rückgang von privatem Lesen und Lesemotivation, begründet durch Zeitmangel, erfahren. Das Freizeitlesen wurde durch die Nutzung sozialer Medien ersetzt. Die Studierenden hatten mit dem Studienbeginn außerdem große Schwierigkeiten im Umgang mit wissenschaftlichen Texten, eigneten sich aber im Verlauf des Studiums Lesestrategien an. Sie trennten das institutionelle Lesen strikt vom privatem Lesen ab. Obendrein kritisierten die Studierenden den Umgang der Universität mit Medien, denn sie würde sich zu wenig mit neuen Medien beschäftigen und die Kreativität unterdrücken. Die Didaktiker:innen nannten als Lösungsansätze, Lesestrategien für wissenschaftliche Texte schon während der Schulzeit zu vermitteln, die Wissenschaftspropädeutik auszubauen und das Problembewusstsein der Lehrenden an der Universität zu stärken.


In der Diskussion kam die Frage auf, ob die Pandemie eine Rolle bei der Lesekrise von Studierenden spielen würde. Die Antwort der Vortragenden war, dass zur Zeit der Pandemie Phänomene wie ›BookTok‹ in den sozialen Medien entstanden seien, dies aber keine großen Auswirkungen auf das Leseverhalten der Studierenden habe. Zudem wurde erfragt, ob die Studierenden über ihre Lesestrategien sprachen und diese erörterten. Geantwortet wurde mit dem Hinweis auf Strategien wie diejenige, Textsorte und Textaufbau zu kennen, richtig zu markieren, Zusammenfassungen und Suchfunktionen zu nutzen.


Inga Rottinghaus-Höfer stellte mit dem Vortrag »'„Aber Ferien sind Ferien“ – Ein Praxisbericht zum institutionell verankerten Lesen« ihren Versuch dar, eine Schullektüre ausschließlich im Unterricht der Schule zu lesen. Damit sollte das Ziel erreicht werden, dass alle Schüler:innen einer 6. Klasse das Buch lasen. Es gab aber neben dem Lesen auch die Möglichkeit, sich das Buch als Hörbuch anzuhören. Das inhaltliche Wissen der Schüler:innen wurde zwischenzeitlich mit Tests geprüft. Zudem wurden vor und nach dem Lesen des Buchs Lesezeit und Lesemotivation der Schüler:innen abgefragt. Die Eltern der Schüler:innen erhielten einen Fragebogen über ihre Beobachtungen zum Leseverhalten der Kinder und zu ihrer Bewertung des Versuchs, der anonym beantwortet wurde. Als Ergebnis konnte Inga Rottinghaus-Höfer feststellen, dass sich die durchschnittliche Lesezeit im Laufe des Versuchs verringerte, sich aber große Unterschiede zwischen den Schüler:innen feststellen lassen. Außerdem ließ sich ermitteln, dass eine längere Lesezeit nicht automatisch ein besseres oder schlechteres Ergebnis beim Leseverstehen bedeutete. Die Lesemotivation der Schüler:innen sank leicht ab. Die Eltern zeigten weitestgehend eine hohe Akzeptanz gegenüber diesem Versuch. Laut ihnen zeigte ein Drittel der Kinder ein höheres Interesse am Lesen als vorher. An Implikationen stellt Inga Rottinghaus-Höfer fest, dass eine stärkere Hinführung und Begleitung zur intermedialen Konzeption und eine Flexibilisierung des Unterrichts nötig sind.


Der letzte Vortrag der Tagung, »Family Literacy: Schnittstellen von schulischem und privatem Lesen«, wurde von Luca Leon Haase vorgetragen. Er beschäftigte sich in diesem Beitrag mit dem Konzept der Family Literacy und Programmen, die ihre Förderung zum Ziel haben. Das Konzept Family Literacy stellt ein Programm zur generationsübergreifenden Förderung der Sprach- und Literalitätskompetenzen in den Familien der Schüler:innen dar. Davon sollen auch die Schüler:innen profitieren und Kompetenzen verbessern. Luca Leon Haase beschreibt Family Literacy als eine Brücke zwischen Schule und Familie, die es ermöglichen kann, ein niedrigschwelliges Angebot zur Förderung zu entwickeln und eine Aufweichung der Grenzen zwischen Institution und Familie herbeizuführen. Die Family-Literacy-Programme (FLP) richten sich entweder allgemein an alle Familien oder fokussieren sich auf sozial benachteiligte Familien. Dabei wird in home-based/center-based- und Defizit-Ansatz/Enrichment-Ansatz unterschieden. Haases erster fachdidaktischer FLP-Vorschlag bestand in der Leseförderung durch Elternbriefe, der einen home-based- und sowohl Defizit- als auch Enrichment-Ansatz verfolgt. Als Beispiel führte er einen Brief an, der vorschlägt und anleitet, wie das Fernsehen zum Lesen motivieren soll. Der Vorschlag ist niedrigschwellig und flexibel, bietet jedoch die Herausforderung, dass kein direkter Kontakt zu den Eltern besteht. Der zweite vorgestellte FLP- Ansatz war center-based und ein Enrichment-Ansatz, der als Zielgruppe bildungs- und schriftferne Familien hat. Der Ansatz von Katrin Fach schlägt vor, Literaturabende, gemeinsame Lesezeiten im Unterricht und zweisprachige Lesungen einzuführen. Dadurch ist ein direkter Kontakt zu den Familien und eine starke Bereitschaft ihrerseits möglich. Probleme, die auftreten können, sind ein nicht wertschätzendes Schulklima, anderweitige Verpflichtungen wie Arbeit und Pflege der Familien. Außerdem braucht es Lehrkräfte, die Engagement und die Zeit haben, die Professionalisierung zu erfahren, um ein solches FLP anleiten zu können. Es wird deutlich, dass dieser Ansatz Potenzial hat, Familien und ihren Kindern zu helfen, aber es Probleme gibt, die gelöst müssen.


Diskutiert wurde, ob die Eltern der Schüler:innen tatsächlich die Bereitschaft zeigen, an den FLP teilzunehmen. Beantwortet wurde diese Frage damit, dass konkrete Zahlen und Studien dazu noch ausstehen. In Metastudien, die positive Effekte von FLP zeigen, wurden die Eltern über mehrere Wochen unterstützt und gefördert. Daher können diese Erkenntnisse nicht direkt auf die vorherrschende Realität übertragen werden. Laut Haase werden die Leseabende seiner Erfahrung nach von den Familien vorwiegend positiv aufgenommen.


In der Schlussdiskussion zeigte sich, dass das Thema der Tagung zu komplex ist, um alle dazu offenen Fragen innerhalb von zwei Tagen beantworten zu können. Allgemeine Fragen wie »Was ist überhaupt das (literarische) Lesen?« oder »Müssen Menschen generell mehr lesen?« konnten nicht vollständig geklärt werden und bedürfen einer tiefergehenden Auseinandersetzung. Sinnvoll bleibt auch eine Beschäftigung mit soziologischen Fragestellungen z. B. nach der Bedeutung des Lesens in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Ebenso stellte sich die Frage, wie mit den Ergebnissen der vorgestellten Versuche und Studien umgegangen werden soll, um Schüler:innen und Studierenden das Lesen näherzubringen.


Es zeigt sich, dass Institutionen und Menschen, die sie verkörpern, Ansprüche an Schüler:innen und Studierende haben, die manchmal zu hoch sind. Es sei wichtig zu erkennen, dass literarisches Lesen auf Freiwilligkeit beruht und Zwang oft nicht dazu führt, Studierende und Schüler:innen zum Lesen zu motivieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ziel eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sein sollte, um Schüler:innen und Studierende besser zu unterstützen.